Man kann eine Zeitung wie ein Bild sehen, wie ein Gemälde. Da gibt es Linien und Formen, Fäden, Striche und Flächen zu sehen - zumindest wenn man die Zeitung mit dem Blick Manfred W. Jürgens sieht. Jürgens ist Maler und Fotograf, ein Zeitgenosse mit visueller Agenda. Was Jürgens sieht, bewertet er nach den Maßstäben des Ästheten, ganz egal, ob es ein Gebäude, eine Landschaft oder eben die Seite einer Zeitung ist.
Unlängst konnte Jürgens, der seit drei Jahren in Hamburg lebt, die neu gestalteten Seiten des Hamburger Abendblatts sehen und fotografieren. Ende April wird das Abendblatt im frischen Gewand daherkommen, erste Entwürfe hängen jetzt in der Axel-Springer-Passage - neben den Zeitungen, die für das beste "Newspaper-Design" 2008 prämiert wurden.
"Bilder" also, Dinge, die man sich durchaus an die Wand hängen kann. Eine Zeitung kann eine Genusssache sein, "und ich mag das Umblättern mehr als das Anklicken", sagt Jürgens (53), gebürtiger Mecklenburger und Vater von drei Söhnen. Die sind mit dem Internet aufgewachsen, und auch wenn Jürgens der digitalen Konkurrenz des Printprodukts keineswegs abspricht, in ästhetischer Hinsicht die Wirklichkeit abbilden zu können, greift er doch lieber auf die Zeitung zurück. "Ein Foto auf einer Zeitungsseite, die an einer Wand hängt, wirkt mehr als ein Foto auf dem Bildschirm", sagt er. Der studierte Kommunikationsdesigner Jürgens, der nirgendwo ohne seine Kamera hingeht, ist eine Doppelbegabung: Er fotografiert und malt. Mit dem Fotografieren fing Jürgens erst mit 29 an, seitdem hat ihn das Metier nicht mehr losgelassen. Dabei geraten ihm seine Fotos manchmal wie Gemälde, und seine Malerei ist fotografisch. "Mich reizt am Fotografieren die schnelle Arbeitsweise, an Bildern arbeitet man bisweilen ein ganzes Jahr." Und Fotos kann man auch als Skizzen verwenden für das, was auf der Staffelei entsteht."
Der Künstler glaubt, dass es in Zukunft eine Rückbesinnung auf die monomediale Kompetenz geben wird. Alleskönner wie manche Internetseiten (mit Text, Bewegtbild und Hörspur) sind also nicht der Weisheit letzter Schluss. "Manche Homepages sind schon wieder viel einfacher strukturiert als die heute üblichen, auf denen alles ruckelt und ständig irgendetwas aufploppt."
In Zeitungen ruckelt garantiert nichts, es gilt, im formschönen Layout Informationen und Unterhaltung zu präsentieren, ein Blattdesign zu finden, das Verstand und Geschmack anspricht. "Es gibt Zeitungen, bei denen denkt man: Das geht ja gar nicht", sagt der erfahrene Zeitungsleser Jürgens. Manche Gestaltungen seien "einfach schrecklich" und "zu billig". - Auf die bis zum 12. Februar in der Axel-Springer-Passage ausgestellten und prämierten Zeitungsseiten treffen diese Urteile jedenfalls nicht zu.(tha)
Sehen Sie den Wald vor lauter Blättern nicht, liebe Besucher?
Genau so soll es sein. Denn bevor das Hamburger Abendblatt im Frühling 2010 sein neues Design entfaltet, möchten wir nicht zu viel vorwegnehmen. 'Überall geht ein frühes Ahnen dem späten Wissen voraus'
Der Hamburger Maler und Fotograf Manfred W. Jürgens hat dieses Zitat von Alexander von Humboldt genau richtig umgesetzt: Er sah sich auf und sogar unter den Schreibtischen der Designer um, die das Hamburger Abendblatt gestalten. Mit seinen ganz eigenen Blick hat er die interessanten Details für Sie festgehalten. Selbst aus dem Altpapier fischte er noch Elemente, die ihm gefielen. Diese werden so allerdings nie gedruckt erscheinen. Sie hielten den strengen Blicken der Marktforscher, der befragten Leser und der Entwicklungsredaktion nicht stand.
Sie ahnen etwas? Das ist schön. Ganz genau wissen werden Sie es dann in diesem Frühling.