Mein KfN-Tagebuch


LongCOVID · Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS)

Mein 3. Aufenthalt im Krankenhaus für Naturheilweisen in München · Dezember 2025

Wenn die Batterie erneut leer ist

Kaum zu glauben, aber ich habe mich seit Wochen aufs Krankenhaus gefreut. Wie im vergangenen Jahr fährt mich meine Frau von Wismar nach München. 800 km, nur ein Halt zwecks Tanken. Chapeau! Allein würde ich dort nie ankommen. Um die Fahrt zu überstehen, verbinde ich mir die Augen. Zu viele Eindrücke würden mich in den Wahnsinn treiben. Für andere Autofahrer wirkt es sicherlich wie eine Entführung.

Tag 1

Bärbel begleitet mich auch zur Einweisung ins KfN. Alles kommt mir angenehm vertraut vor. Auf dem Weg zu meinem Zimmer duftet es nach Heusack. Wärmende Vorfreude. Erneut klemme ich meine Kuhpostkarte an die Tür. Diese wird mir das Zurückfinden aufs Zimmer erleichtern, denn ich kann mir momentan wieder einmal keine Zahlen und somit auch keine Zimmernummern merken.

Nach dem Mittagessen geht es zur Atemgruppe. Viele der Übungen nahm ich vor einem Jahr für mich mit nach Wismar. Es wird nie langweilig, denn jeder vermittelt auch neue und eigene Ansätze.

Am Nachmittag kommt ein Therapeut aufs Zimmer. Bewegungs- und Dehnungsübungen sind angesagt. Welch großartige Entspannung. Als ich von meiner Geräuschempfindlichkeit berichte, empfiehlt er das Massieren und Dehnen der Ohren. Bei seiner Verabschiedung sind meine Ohren knallrot angelaufen. Sie brennen mächtig, man könnte sich an ihnen problemlos eine Zigarette anzünden.

Etwas Lavendelöl ins Fußbad und schon klingt mein erster Tag im KfN aus.

Tag 2

Das Frühstück beginnt mit einem 'Bio Premium Marille Joghurt'. Welch eine Wortschöpfung der Nahrungsindustrie! Meine Füße chillen parallel im Rosmarinfußbad unter dem lecker gedeckten Tisch. Die Nachrichten in der Süddeutschen Zeitung sind weniger positiv als die Stimmung im KfN.

Zu meiner Überraschung folgt eine Vitamin-C-Infusion. Während dieser schlafe ich glücklich ein und träume erneut von der intravenösen Gabe eines Fläschens Grauburgunder.

Dem Dienstplan folgend schlendere ich zum EKG. Dort wird meine Brustbehaarung als grenzwertig eingestuft. Was soll ich dazu sagen? Das ist bei alten Braunbären so.

Nach dem Mittagessen liegt der wärmende Heusack auf meinem Fell. Die Leber freut sich. Nun ein kurzes Nickerchen. Für uns Neuankömmlinge gibt es um 13 Uhr im Hörsaal eine einstündige Vorlesung zum Thema Naturheilweisen. Diese Lesung erlebe ich zum dritten Mal und bin erneut begeistert. Also bedanke ich mich im Anschluss bei der vortragenden Ärztin. Sie entgegnet schmunzelnd: 'Beim Aufbauen dachte ich schon, da sitzt er wieder!'

Auf dem Flur trifft mich der ärztliche Direktor. 'Herr Jürgens, kennen sie Bodyscan?' 'Nein, aber ich mache hier alles mit.' Also lasse ich mich scannen. Das Ergebnis interessiert mich nicht nur technisch.

Zehn Meter vom Scanner entfernt treffe ich auf zwei meiner Lieblingstherapeutinnen. Déjà-vu, beide stehen an gleicher Stelle wie vor einem Jahr, als ich mich von ihnen verabschiedete. Tatsächlich habe ich, rein zufällig, einen Termin bei einer von ihnen. Meine Wirbelsäule und die Schultern jubeln und ich schwebe im wärmenden Licht. Immer wieder bin ich von den therapeutischen Fähigkeiten vor Ort begeistert.

Am Abend besucht mich meine Frau. Das Leben ist schön!

Tag 3

Prost! Ein homeopathisches Schnäpschen verschönert den Morgen. Auf dem Plan steht heute als einzige Anwendung die Ganzkörperhyperthermie.

'Guten Tag, ich habe Urlaub und möchte hier zelten.' Oh! Wir kennen uns und lachen. 'Herzlich willkommen, das ist ihr vertrautes Heckelzelt, das gleiche wie im vergangenen Jahr, freuen sie sich auf zwei Stunden durchschwitzen.' 'Kein Problem, gleich schlafe ich ein.' Leise Entspannungsmusik plätschert durch den Raum und trägt mich träumend in ein Restaurant nach Indien.
Eine junge Frau mit Bindi auf der Stirn tritt an den Tisch. 'Hallo, wie immer?' 'Ja, bitte, Aloo Gobi, Kartoffeln mit Blumenkohl-Curry.' 'Sehr gern! Heute haben sie viel Zeit, Herr Jürgens, lernen sie endlich Hindi: आलू गोभी.'

Schweißgebadet erwache ich. Nach mehr als zwei Stunden köcheln werde ich zum Halten der Temperatur in Folie eingeschlagen. Meine Körpertemperatur beträgt jetzt 39,1 °C.
Hallelujah, so ein Bett kann einen schon fesseln. Eine witzige ältere Schwester rollt mich auf mein Zimmer. Sie fragt nach der Zimmernummer. 'Keine Ahnung, es könnte dort hinten sein.' 'Ach das Zimmer mit der Kuh, ich erinnere mich an das letzte Jahr!'
Gern erzählt sie folgende Geschichte. Vor Jahren hatte sie in zwei Doppelzimmern, in denen Ehepaare zur Behandlung wohnten, die Frauen verwechselt. Die Herren schliefen fest und waren beim Erwachen recht verunsichert. 'Ja mei, nur die Stationsschwester hat sich beklagt.'

Die zweite Vitamin-C-Infusion schickt mich in den Schlaf. Nun fix unter die Dusche, in zehn Minuten werden meine Hinterhufe professionell geölt und sanft massiert.

Ein kurzer Spaziergang durch den Park und ich falle glücklich ins Bett.

Tag 4

Hier im KfN beginnt jeder meiner Morgen mit einem Rosmarin-Fussbad.
Nach der ersten Malzeit nun der Hit namens Nordic Walking. 15 Leute haben ihre Skier verloren, dürfen es sich jedoch nicht anmerken lassen. Alle scharren und klicken zwecks sportlich eleganter Fortbewegung zur gleichen Zeit mit 30 nordischen Gehstöcken auf steinigen Boden oder Beton. Das ist nichts für mich mit meiner akustischen Überempfindlichkeit. Ja ich empfinde es tatsächlich als körperlichen Schmerz und benenne es auch. Eine Dame neben mir hat das gleiche gesundheitliche Problem. Also gehen wir in entgegengesetzter Richtung und stöckeln fast lautlos über den Rasen der Parkanlage.

Die vorgezogene Einreibung meiner Füße kommt genau richtig und bingt mich wieder ins Lot.

Für mich als Vegetarier ist das Essen hier im KfN prinzipiell köstlich. Gern lege ich zur Mittagszeit sporadisch eine Postkarte mit begeisterten Worten an die Küche unter den leeren Teller und gebe dann das Tablett ab.

Heute spendiert mir ein Mann die Fußeflexzonentherapie. Schon im vergangenem Jahr genoss ich bei ihm diese physikalische Therapieanwendung. Er ist ein wahrer Könner.

Eine Pflegerin aus Sri Lanka sieht mich auf dem Flur und zeigt mit erhobener Hand lächend auf die Uhr über uns. Das bedeutet für mich, umgehend zur Heusäckchenausgabe zu kommen.

Am frühen Nachmittag geht es zur Atemgruppe. Der neue Bewegungsraum hat die angenehmste Akustik, die ich je wahrnahm.
'... Herzlich willkommen! Wir legen die rechte Hand auf unseren Bauch, halten mit dem Zeigefinger unsere linke Nase zu und schnüffeln in fünf Stufen rechts aus ... Genau, sehr schön, das machen sie gut! ... Wir schießen die Augen, atmen enspannt ein und aus und lauschen der Klangschale. Dreißig Minuten verfliegen wie im Flug.'

Zwei Stunden später sitze ich in einer 18-köpfigen Entspannungsgruppe. Wir summen Buchstaben des Yoga-ABCs. Nach dem ersten OM verläßt einer der zwei weiteren Herren mit den Worten 'Nicht mit mir!' den Frauenturnverein. Mir helfen die Yoga-Übungen.

Bärbel ruft an und wir wünschen uns eine gute Nacht.

Tag 5

Nach Fußbad und Frühstück geht es in die Physikalische Abteilung. Ein beruflicher Urenkel Kneipps schiebt mit Wechselgüssen mein Immunsystem an und macht meinen verwirrten Kopf etwas klarer.

Die Einreibung der Füße mit einem Wunderöl ist erneut purer Genuss. Mit angewärmten Füßen, die mir von Tag zu Tag optisch immer jünger erscheinen, schlummere ich sofort ein.

Obwohl ich die hier praktizierten osteopathischen Techniken sehr schätze, verschlafe ich erstmals eine Anwendung. Die Therapeutin ist bereits auf der Suche nach mir, versucht mich einzufangen, jedoch eile ich auf einem anderen Weg zu ihr.
Ihre kunstfertigen Hände lösen bei mir Verspannungen im Halsbereich und räumen irgendwie auch den Kopf auf. Wir philosophieren ein wenig über die Schönheit des Lebens. Zum Beispiel ging es um Mark Aurel, er lebte 121 bis 180 nach Christi. Eine seiner Überzeugungen war: 'Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.'

Mein Mittagessen steht auf dem Tisch. Erst in 15 Minuten komme ich zu diesem Genuß. Eine dritte Vitamin-C-Infusion tröpfelt monoton in die Vene meines rechten Armes.

Die Atemgruppe ist gut besucht. Der junge Therapeut hat hier, wie viele andere auch, eine feste Fangemeinde. Zum Abschluss der halben Stunde erwähnt er fast nebensächlich, dass wir uns vorerst nicht mehr sehen werden, da er in den Urlaub fährt. Er erntet Oooh und Buh-Rufe. Alle lachen. Es ist üblich, dass wir Patienten nach Ende der Übungen Applaus spenden.

Eine weitere halbe Stunde gehört der Entspannungsgruppe. Erneuter Beifall.

Sonnenlicht lädt mich zum Fotografieren ein und so strolche ich ein Stündchen durch den KfN-Park. Auf dieser Seite sind unten einige Fotos zu sehen.

Bärbel besucht mich kurz. Sie will noch ins Kino. Es läuft im Theatiner-Filmkunst 'MitGift' von Michael Verhoeven, vorgestellt von Senta Berger!

Ein Schlaftee schickt mich in die Nacht.


Tag 6

Tagesbeginn. Ein erster Blick vom Balkon. Im Park senkt sich der Nebel. In meinem Kopf ebenso.

Körperwahrnehmung steht auf dem Stundenplan. Alles erinnert mich an Swami Satyananda Saraswatis Yoga Nidra. Das passt.

Unabhängig von den Heilungsansätzen im KfN ist es echt bereichernd, dass man auf Menschen trifft, die den gleichen Schaden haben wie man selbst. Sich über den Umgang mit der seit Jahren anhaltenden Krankheit und der daraus resultierenden Verblödung auszutauschen, empfinde ich als sehr angenehm und notwendig. Eine junge Frau, mit der ich heute plauderte, empfindet unsere Beschwerden genauso wie ich. 'Die Filter des vegetativen Nervensystems sind kaputt. Das ist auf Dauer keineswegs witzig.'

Nun erscheint in meinem Zimmer die Dame mit dem Bindi und serviert gutgelaunt das Mittagessen. Der herzhafte Gemüseeintopf gehört bisher zu den Höhepunkten dieses trüben Tages.

Fußeinreibung und Heusack katapultieren mich zeitgleich in den gesunden Tiefschlaf.

Auch heute kommt mich meine Frau am Abend besuchen. Ich erwache und sie legt sich sanft zu mir.

Es klopft erneut. Die Stationsschwester schaut nach mir. Brauchen sie noch etwas für die Nacht? Nein, mein Weibchen ist heute hier! Sie erstaunt und hält sich aus Spaß eine Hand vor die Augen. Wir lachen. Ich verstehe, sie brauchen tatsächlich nichts. Es ist also alles ist in Ordnung. Gute Nacht!

Wenig später verabschiedet sich Bärbel. Tschüß! Morgen gehen wir spazieren.

Tag 7

Das Telefon bimmelt. Bärbel weckt mich auf meinen Wunsch gegen 7 Uhr. Heute sitze ich frisch rasiert am Frühstückstisch.

Am Teestand lerne ich zwei Patienten kennen, die erstmals hier sind und auch seit Jahren massiv unter dem Chronischen Fatigue Syndrom leiden. Sie möchten wissen wie es mit der Hyperthermie ist. Da kann ich nur schwärmen und versuchen, Ängste, die ich einst auch hatte, zu nehmen. Ein Hoch auf die lindernden Effekte der thermischen Behandlung. Gleiches kann ich von Kryo, der Kältekammer, berichten, die hier nicht angewendet wird.

Wie versprochen geht es heute an die Isar. Bärbel und ich schlendern zwei Stunden verliebt am Fluß entlang. Pure Entspannung. Zur Mittagszeit bringt sie mich zurück ins KfN.

Nach dem Essen folgen obligatorisch Heusack, Einreibung und Schlaf. Erst nach zweieinhalb Stunden erwache ich und muß feststellen, dass ich die aktuelle Lesung zur Pflege-Edukation im Hörsaal verschlafen habe. Peinlich, aber nicht all zu tragisch, da ich diese bereits zweimal in meinen ersten Aufenthalten besuchte.

Der Körper holt sich was ihm fehlt. Soviel habe ich hier am Tag noch nie geschlafen.

Gerade sprüht die Stationsschwester mir ein Schlafspree aufs Kopfkissen. Das kenn ich noch nicht. Vor dem Einschlafen erzählt mir Bärbel am Telefon von ihrem Opernbesuch. Gern wäre ich in der Bayerischen Staatsoper bei Puccinis 'La Bohème' dabei gewesen.

Ich bin gespannt auf mein Kopfkissen. Weckst mi bitte moang friah auf.

Tag 8

Guadmorgn! Das homeopatische Schnäpschen geht aufs Haus. Ja, es ist hier in der Tat mehr als Schulmedizin. Danke und Prost!
Die sich anschließenden Kneippschen Güsse beleben wie ein Wasserfall. Zum älteren Herrn, der nach mir kommt, kann ich nur sagen 'Freuen sie sich auf diesen erfrischenden Jungbrunnen'. Er lächelt verschwitzt. 'Warten wirs ab.'

Im Bewegungsraum ging es heute erneut um Körperwahrnehmungen. Ein junger Mann im zarten Alter von etwa 18 Jahren erzählt vor Beginn, dass er am Wochenende große Leere empfunden hätte, da sein Tag nicht mit Anwendungen vollgepackt war. Selbst das Smartphone hätte ihn gelangweilt. Für viele ist es unvorstellbar, aber Langeweile spürte ich in meinem Leben noch nie, kann mir tatsächlich nicht vorstellen, was das sein könnte. Sicherlich ist es etwas sehr trauriges. Als ich ihm sagte, dass man auch aus sich selbst heraus schöpfen könne, sieht er mich verständnislos an.
Anders beim Therapeuten, von dem ich gerade die Fußreflexzonentherapie erhielt. Wir freuen uns auf unsere Gespräche.

In der Enspannungsgruppe wird heute der Herbst thematisiert. Die umschriebene Natur am Waldrand, die Rehe, der Geruch des Laubes und der Pilze, die sonnendurchflutete Lichtung, all das trägt mich im Halbschlaf liegend 1:1 zurück in meine frühe Kindheit nach Mecklenburg.

Im Gemeinschaftsraum entdecke ich eine CD mit Musik zum Thema 'Yoga'. Soeben habe ich sie mir auf meinen Laptop kopiert.

Die Musik plätschert dahin und hilft mir beim Einschlafen.

Tag 9

Es lebe die Ganzkörperhyperthermie! Hallo Selbstheilungskräfte, heute werden wir euch mit Wärbe stimulieren. Ja, ich möchte nach Jahren endlich meine Vor-Corona-Vitalität zurück. Es wird Zeit.


Tag 10

Fortsetzung folgt!


Text © MWJ · 12/2025




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Krankenhaus für Naturheilweisen
02 / 13
KfN · Ein erster Blick vom Balkon
03 / 13
KfN · Parkanlage
04 / 13
KfN · Parkanlage
05 / 13
KfN · Parkanlage
06 / 13
KfN · Parkanlage
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KfN · Parkanlage
10 / 13
KfN · Parkanlage
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KfN · Auf dem Flur
12 / 13
Krankenhaus für Naturheilweisen
13 / 13
München · An der Isar

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